von Ulrich P. Kecke
Seit vielen Jahren hören wir ständig bei der Planung und Umsetzung von Kultur-,
Gesundheits- und Bildungsvorhaben die dominante Aussage, das wir jetzt in einer
Phase der knappen Kassen sind und sparen müssten. Wie von einem Wunder
ausgenommen sind lokale und nationale Großbauprojekte.
So kennen wir solche Projekte wie Transrapid München, ICE-Strecke Erfurt-
Nürnberg, Autobahntunnel Jagdberg, Stuttgart21, Eichplatz Jena usw. usf.
Allen Projekten ist gemeinsam: Sie haben keinen sozialen und gesellschaftlichen
Sinn für die Bevölkerung und werden von „oben“ angeschoben. Solche Projekte
werden entweder gar nicht oder mit „an den Haaren herbei gezogenen Aussagen“
begründet. Die wahren Hintergründe kommen meist erst ans Licht, wenn das
Projekt formaljuristisch beschlossen ist bzw. der Bau begonnen wurde. Der Bürger
wird quasi überrascht vom Fleiß einiger Volksvertreter, weil gerade dort, wo
Großbauprojekte installiert werden, der Bürger keinen Bedarf gesehen hat.
Gleichzeitig spielen die harschen klimapolitischen Vorgaben keine Rolle. Die
zusätzlichen Energieaufwendungen und Schadstoffemissionen werden durch
Neubauten provoziert und bleiben schon konzeptionell unberücksichtigt.
Beispiel Jagdbergtunnel A4:
Im Verlauf der Planungen wurden nachweislich erhebliche Nachteile zur
Bestandsstrecke konstruiert (Kosten, Dauer, Naturschutz, zulässige Steigung usw.)
sowie Einwände und Vorschriften einseitig unter den Tisch gekehrt.
Dagegen wurde die Tunnelstrecke unsachlich als alternativlos und günstig
dargestellt. Letztlich wurde vom Land Thüringen eine große amerikanische
Anwaltskanzlei aufgeboten, um die Bürgerinitiative bei den Juristereien vorm
Bundesverwaltungsgericht durch die hohen Kosten mundtot zu machen. Auszug
aus einem Anschreiben eines Beteiligten: „…ihre Organisation (in diesem Fall der
NABU Thüringen) war es, der um ein Naturschutzgebiet von einer bestehenden
Autobahn zu befreien (NSG Leutratal), nichts gegen die Abholzung eines 6ha
großen Waldgebietes unternahm. Durch mehrere wiss. Gutachten wurde belegt,
dass sich hier die Hauptbrutplätze der Region, mehrerer vom Aussterben bedrohter
Vogelarten befanden! Rechtlich hätte dieses Gebiet als Naturschutzgebiet eingestuft
werden müssen und war als FFH –Vorschlagsgebiet gemeldet. Im Zuge der
Planungen einer neuen Autobahn wurde es klammheimlich aus den Planungen
genommen.
Dies mit dem Wissen der NABU-Verantwortlichen, die den 300 Millionen Euro teuren
Trassenbau auch noch offiziell begrüßten (Klaus Götze/ NABU SHK)! Somit hat man
im Namen des Naturschutzes in 800 Meter Entfernung eine komplette Landschaft
zerstört und dem Autoverkehr Tür und Tor geöffnet.“
Der exklusive Nachteil des Tunnelbaus, das hohe regelmäßige Betriebskosten
entstehen, wurde anfangs nicht bewertet. CO2-Ausstoß ist in diesem Moment
bedeutungslos.
Beispiel Eichplatzbebauung Jena:
Begründet wird das Projekt mit „städtebaulichen Gestaltungsforderungen“, also
geht es um die Schönheit dieses Areals (ein bedeutender Grund!). Es besteht kein
dringender Bedarf an Büro- und Verkaufsflächen und daher auch keine Eile, einen
Bebauungsplan festzuschreiben. Die forcierte Eichplatzbebauung wird so Teil der
verschwenderischen Angebotspolitik.
Der angespannte Wohnungsmarkt bringt die Stadt als Grundstückseigner nicht in
Bewegung, hier deutliche Zeichen zur Verbesserung des Wohnungsangebotes zu
setzen. Die kommunale Daseinsvorsorge wird mit 15 % Wohnungsanteil vergessen,
um den Investoren genügend Spielräume für renditestarke Abschreibungsobjekte
frei zu geben. Damit aber nicht genug: Die Stadt Jena unternimmt vorsorglich große
Aufwendungen, um eine zweigeschossige Tiefgarage ausführbar zu machen. Die
Investoren brauchen den Käufer mit den größten Einkaufswagen (Kofferraum) in
unmittelbarer Nähe der Kauftempel!
Und nun bringt es der Grünen-Fraktions-Chef Denis Peisker bei der Ratssitzung
vom 12.05.2011 auf den Punkt: Die Koalition habe sich redlich bemüht, den
Eichplatzbebauungsplan investorenfreundlich zu gestalten. Wenn sich nämlich
nach europaweiter Ausschreibung „nur ein oder kein Investor melde, haben
wir etwas falsch gemacht“. Hierin ist zweifelsfrei der Zeitgeist und deren
Parteienunabhängigkeit zu erkennen. Denn bei Stuttgat21 waren die Grünen die
maßgeblichen Gegenkräfte.
Prof. D. Schuchardt setzt noch einen drauf: Es gäbe einen Standortwettbewerb
des Einzelhandels zwischen den Städten!? Nein, nicht die Grundlagen zum Geld
ausgeben sind zu erweitern, sondern die zum Geld verdienen, also Arbeitsplätze,
Schulen, Wohnungen usw.!
Über alles hinweg kann man ohne viel Aufwand erkennen, das der
Eichplatzbebauungsplan weder bürgernah und transparent entstanden ist und
der Bürger nicht einmal „angemessen“ beteiligt wurde. Die Bebauung sollen die
Menschen so nutzen, wie es die Investoren für zweckmäßig halten. Damit werden
wieder kleine Verkäufer und Bürovermieter platt gemacht.
Die Eichplatzbebauung Jena ist ein glasklares Investorenprojekt mit allen
Eigenschaften solcher von oben initiierten Großprojekte und zeigt wiederum den
Zeitgeist, dem unsere gewählten Vertreter verbunden sind.